Praxis: Prof. Dr. med. Uwe Schütz

Rheumatoide Arthritis

Die Rheumatoide Arthritis ist eine schwere Erkrankung und sollte daher die bestmögliche medizinische Betreuung des Patienten zum Ziel haben. Der zuständige Arzt für das Management des Rheumapatienten (Rheumatoide Arthritis), insbesondere für die medikamentöse Therapie und für Beurteilung des aktuellen Schweregrades der Erkrankung, ist der Rheumatologe. Dieser ist entweder dem Fachgebiet der Orthopädie oder der Inneren Medizin angegliedert.
Für die Therapieentscheidung, d.h. den Inhalt der Therapie, müssen folgende Punkte bedacht und mit einbezogen werden:

  • Vortherapie: Wie ist bisher therapiert worden, und wie was der bisherige Verlauf?
  • Krankheitsaktivität: Wie ausgeprägt ist derzeit die Schwere der Erkrankung bzw. die Entzündungsaktivität
  • Gelenkschädigung: Wie stark ist das Ausmaß des Funktionsverlustes der betroffenen Gelenke und welche Gelenkschäden finden sich in der Bildgebung (Röntgen, CT, MRT)
  • Nachteile: Welche Nebenwirkungen haben die zur Wahl stehenden Medikamente?
  • Nebenkrankheiten: Welche Begleiterkrankungen der Rheumatoiden Arthritis liegen vor?
  • Patientenvorlieben: Welche Wünsche hat der Patient?

Medikamentenauswahl:
Leider gibt es bisher in der täglichen Praxis noch keine Biomarker, die zuverlässig voraussagen, welches Medikament für den individuellen Patienten und seine RA das am besten wirksame wäre. Es muss jedoch für den einzelnen Patienten im Hinblick auf Sicherheitsaspekte und Begleiterkrankungen der RA jeweils eine individuelle Auswahl erfolgen. Es sind auch die Vorlieben der Betroffenen zu berücksichtigen (z.B. bei der Auswahl der Form der Gabe wie Tablette oder Spritze).

10 Empfehlungen
Empfehlung 1:
Das Ziel der Therapie ist das Erreichen und die Erhaltung einer Remission. Hierunter versteht man einen weitgehend entzündungsfreien Zustand. Ist es jedoch nicht möglich, besonders bei einer länger bestehenden Rheumatoiden Arthritis oder bei einer Rheumatoiden Arthritis, die sehr schlecht auf die Therapie anspricht, dieses Ziel zu erreichen, kann auch eine niedrige Krankheitsaktivität in Kauf genommen werden.
Der Entzündungszustand wird mit rheumatologischen Bewertungsverfahren, das sind so genannte „Scores“ gemessen. Die wichtigsten Scores sind der DAS-28, mit dem man die Krankheitsaktivität misst, und die sogenannten SDAI und CDAI mit denen die Remission bestimmt werden kann. 

Empfehlung 2:
Die Kontrollen zur Messung der Krankheitsaktivität sollen bei noch aktiver Erkrankung alle 1-3 Monate erfolgen. Ist 3 Monate nach Beginn der Therapie keine Verbesserung der Krankheitsaktivität um 50% eingetreten oder wird nach 6 Monaten keine Remission erreicht, sollte die Therapie geändert werden.

Empfehlung 3:
Sobald die Diagnose einer Rheumatoide Arthritis gestellt ist, sollte mit einer so genannten Basistherapie (DMARD - Disease Modifying Anti-Rheumatic Drug) –Therapie begonnen werden. Der beste Zeitpunkt hierfür liegt innerhalb von 12 Wochen nach Beginn der Symptome der Rheumatoiden Arthritis. Der frühestmögliche Beginn der Basistherapie wirkt sich bei neu diagnostizierter Rheumatoider Arthritis positiv auf den Rückgang der Gelenkentzündung, auf das Funktionieren der Gelenke und auf die Zerstörung der Gelenke, aus. 

Empfehlung 4:
Zusätzlich zur so genannten Basistherapie sollten bei Einleitung der Therapie Glukokortikoide (umgangssprachlich „Kortison“) gegeben werden. Es wird eine Startdosis von 10 bis zu 30 mg Prednisolon pro Tag empfohlen. Diese Dosis sollte innerhalb von 8 Wochen deutlich vermindert und nach 3-6 Monaten idealerweise ganz weggelassen werden. Eine längere Anwendung von Kortison-Präparaten kann zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Osteoporose (Knochenschwund), Herzkreislauf-Erkrankungen, Infektionen und dadurch zur Verringerung der Lebenserwartung der Betroffenen führen. Diese Gefahren bestehen vor allem bei einem Dosisbereich über 5 mg Prednisolon pro Tag. Glukokortikoide sollten bei jedem Patienten im Krankheitsverlauf ausgeschlichen (in der Dosis allmählich vermindert und schließlich idealerweise ganz abgesetzt werden) werden, sofern dies klinisch vertretbar ist.

Empfehlung 5:
Die Gabe von Kortison in einzelne, besonders schwer betroffene Gelenke (in Form einer Spritze / Gelenkinjektion) ist eine in der Praxis weiterhin oft angewandte Möglichkeit und wird v.a. von orthopädischen Rheumatologen durchgeführt.

Empfehlung 6:
Methotrexat (MTX) gilt heute in allen Leitlinien als das Basismedikament, das – beim Fehlen von Gegenanzeigen - als erstes eingesetzt werden soll. Ein Vorteil für den Einsatz einer Kombinationstherapie aus verschiedenen Basismedikamenten bereits zu Beginn der Erkrankung ist wissenschaftlich nicht sicher belegt. Methotrexat ist gut verträglich und hat eine gute Wirksamkeit; es kann ganz individuell dosiert werden und kommt sowohl als Tablette als auch als Spritze unter die Haut zur Anwendung.
Allgemein wird eine Starttherapie bei fehlenden Gegenanzeigen gegen MTX von 15 mg/Woche empfohlen, da hierbei die Balance zwischen möglichst schnellem Wirkeintritt und Verträglichkeit am ausgewogensten erscheint. In jedem Falle sollte ca. 24 Stunden nach jeder MTX-Gabe einmalig eine Dosis von 5 (bei höheren Dosen auch 10) mg Folsäure verabreicht werden. Dadurch werden die Nebenwirkungen des MTX auf die Leber, mögliche Übelkeit nach MTX sowie das Auftreten einer Mundschleimhautentzündung und anderer (auch schwererer unerwünschter Ereignisse) deutlich vermindert. Übelkeit und Erbrechen sowie Müdigkeit lassen sich unter Umständen vermeiden, wenn das Medikament zur Nacht eingenommen wird. 

Empfehlung 7:
Ist bei Betroffenen MTX nicht einsetzbar, weil Gegenindikationen bestehen, soll eine Therapie mit Leflunomid oder mit Sulfasalazin begonnen werden. Sie sind ähnlich wirksam wie MTX. So genannte Antimalariamittel, wie das Hydroxychloroquin, sind bei der rheumatoiden Arthrtitis nicht so wirksam. Sie kommen daher bei der RA nur in einer Kombinationstherapie mit anderen Basistherapeutika in Frage. Sie haben jedoch einen sehr günstigen Effekt auf die Herzkreislauf-Erkrankungen, welche die Rheumatoide Arthtritis häufig begleiten. Das früher häufig verwendete Basistherapeutikum Gold steht heute nicht mehr zur Verfügung. Azathioprin und Ciclosporin A kommen nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung. 

Empfehlung 7:
Wird durch die Kombination von MTX und Kortison spätestens nach 12 Wochen das Therapieziel der fehlenden Entzündung nicht erreicht, muss die Therapie erweitert werden. Diese Erweiterung ist davon abhängig, wie die Rheumatoide Arthritis verläuft:

  1. schwerer Krankheitsverlauf mit hoher Krankheitsaktivität.
  2. günstiger Krankheitsverlauf mit leichterer Krankheitsaktivität.

Bei zu erwartendem günstigen Krankheitsverlauf mit leichterer Krankheitsaktivität kann eine Kombination von mehreren herkömmlichen synthetischen csDMARDs eingesetzt werden. Eine häufig angewandte Kombination ist die gemeinsame Gabe von MTX, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin (Antimalariamittel) oder die Kombination von MTX und Leflunomid. Besteht eine MTX-Unverträglichkeit, so ist eine Kombination ohne MTX zu wählen.
Bei einem zu erwartendem schweren Verlauf sollte bei nicht ausreichendem Ansprechen bei Woche 12 (weniger als 50%ige Verbesserung) bzw. noch bestehender Krankheitsaktivität bei Woche 24 bereits früher eine Behandlung mit einem Biologikum (bDMARD) oder mit einem tsDMARD (derzeit nur JAK-Inhibitoren) erwogen werden. Auf Grund der längeren Erfahrung kommen aktuell noch meistens Biologika nach csDMARD-Versagen zur Anwendung. Sofern es die individuellen Eigenschaften des Patienten erlauben, sollten sowohl Biologikum als auch tsDMARDs mit MTX kombiniert werden (siehe Empfehlung 9).

Empfehlung 8:
Besteht ein unzureichendes Ansprechen auf 2 der konventionellen Basistherapeutika (csDMARD) wie MTX, Leflunomid oder Sulfasalazin, soll ein Biologikum (bDMARD) oder ein tsDMARD zum Einsatz kommen. Diese Entscheidung soll spätestens 6 Monate nach Behandlungsbeginn fallen. Eine längere Fortführung der alten Basistherapie führt nach vorliegenden Studienergebnissen kaum mehr zu einem Erreichen eines entzündungsfreien Zustands bei den Betroffenen. Weitere Wechsel zwischen herkömmlichen csDMARDs führen dann nur zu einem beträchtlichen Zeitverlust mit vermehrter Gelenkzerstörung und dauerhaftem Funktionsverlust.
Die Entscheidung, ob zuerst ein Biologikum (bDMARD) oder ein zielgerichtetes DMARD (tsDMARD) die herkömmliche Basistherapie (csDMARD) ersetzt, muss vom Einzelfall abhängig gemacht werden und richtet sich nach patientenindividuellen Kriterien.
Für Rituximab gilt laut Zulassungsempfehlungen, dass es erst nach Versagen eines spezifischen Biologikums, einem TNF-Inhibitor, zur Anwendung kommen darf. Leidet der Patient jedoch z.B. zusätzlich an einer bösartigen Lymphknotenerkrankung oder an einer begleitenden Gefäßentzündung (Vaskulitis), kann das Präparat auch direkt nach der herkömmlichen Basistherapie (csDMARD) eingesetzt werden. Das gilt auch, wenn eine Tuberkulose in der Vorgeschichte des Patienten bekannt ist.

Empfehlung 9:
Sowohl das Biologikum als auch die tsDMARD-Therapie soll, wenn möglich, mit MTX kombiniert werden. Studien haben gezeigt, dass die Kombination einer alleinigen Therapie mit dem Biologikum oder dem tsDMARD überlegen ist. In dieser Kombinationstherapie kann die MTX-Dosis niedriger sein als bei einer alleinigen MTX-Behandlung. Bestehen Kontraindikationen für die Gabe von MTX, so liegen in der Monotherapie (Gabe nur eines Präparates) die besten Ergebnisse für die Biologika Tocilizumab und Sarilumab und für das tsDMARD Baricitinib vor.
Für die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie zwischen Biologikum und herkömmlichen Basistherapeutikum außer MTX sowie tsDMARD und herkömmlicher Basistherapie außer MTX liegen nur begrenzte wissenschaftliche Erkenntnisse vor, auch wenn dies medizinisch begründet in Einzelfällen gemacht wird.

Empfehlung 10:
Bei nicht ausreichendem Ansprechen oder Unverträglichkeit des ersten Biologikums soll ein Wechsel auf ein anderes Biologikum mit dem gleichen oder einem anderen Wirkprinzip oder auf ein tsDMARD erfolgen.

Biosimilars: Biosimilars können in gleicher Weise wie die Original-Biologika eingesetzt werden. Bei nicht ausreichender Wirkung eines Original-Biologikums wird der Wechsel auf das dem Original-Biologikum entsprechende Biosimilar nicht empfohlen.

Deeskalation: Ausschleichen der medikamentösen Therapie

Nachdem das Kortison nach schrittweiser Dosisreduktion ganz weggelassen worden ist, stellt sich bei einer Anzahl von Patienten die Frage, ob auch die DMARD-Therapie „ausgeschlichen“ werden kann. Dieser Prozess soll nur in Angriff genommen werden, wenn Patient und Arzt dieses nach den Grundsätzen der gemeinsamen Entscheidungsfindung auch wollen. Voraussetzung für ein Ausschleichen der DMARD-Therapie muss eine anhaltende Remission (fehlende Krankheitsaktivität) über mindestens 6 Monate sein. Ein Ausschleichen der Therapie sollte grundsätzlich zuerst in Form einer Dosisreduktion der DMARDs oder in Form einer Verlängerung der Dauer zwischen zwei Medikamenteneinnahmen geschehen. Ein komplettes Absetzen der Therapie wird nur selten möglich sein. Entwickelt sich in diesem Prozess des Absetzens erneut ein Rheumaschub, kann durch Wiederaufnahme der ursprünglich verabreichten Dosis der Vortherapie i.d.R. eine erneute Remission erreicht werden.

Lebensstil-Veränderung

Lebensstilveränderungen können zur Therapie der Rheumatoiden Arthritis gehören. So ist bekannt, dass starkes Übergewicht gleichermaßen wie Rauchen mit einem schlechteren Verlauf und einem schlechteren Ansprechen auf die DMARD-Therapie verbunden sind. Sowohl Übergewicht als auch Rauchen erhöhen auch das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen. Diese sind eine häufige Begleiterkrankung der Rheumatoiden Arthritis.