Praxis: Prof. Dr. med. Uwe Schütz

Spinalkanal-Stenose (SKS), Enger Spinalkanal, Rezessus-Stenose

Synonyme: knöcherne (ossäre), bindegewebige (ligamentäre), oder bandscheibenbedingte (discogene) Stenose des Spinalkanales, Claudicatio spinalis bei Spinalkanalstenose, Nervenwurzelkompression (Radikulopathie) bei Spinalkanalstenose

Definition. SKS beschreibt eine anatomische Einengung des Spinalkanals mit vermindertem Raum für Nerven und Gefäße. Klassifiziert werden kann sie nach

- Etiologie (primär = angeboren vs. sekundär = erworben), nach

- Ausmaß (relativ: 10-12 mm, absolut: <10 mm AP-Durchmesser) oder

- anatomisch (zentral, peripher, foraminal).

Die degenerative SKS ist die häufigste, klinisch relevante Form und Thema dieses Kapitels. Das daraus entstehende klinische Syndrom ist die neurogene Claudicatio spinalis: „umschriebene Einengung des Spinalkanals verbunden mit einem Komplex von Symptomen bestehend aus Rückenschmerzen und belastungsabhängigen Beschwerden in den Beinen (Claudicatio)“.

Symptomatik. Als Hauptmerkmale der degenerativen SKS gelten:

- höheres Alter

- belastungsabhängige Beinbeschwerden

- Verschlechterung im Stehen und Gehen

- Symptomerleichterung bei Rumpfbeugung bzw. Verschlechterung bei Rumpfstreckung.

Bei der Symptomatik der SKS muss prinzipiell zwischen der zentralen, lateralen (rezessalen) und foraminalen SKS unterschieden werden. Typischerweise verursacht die zentrale SKS den belastungsabhängigen (Gehen und Stehen) Rückenschmerz mit Beinausstrahlung ein-/oder beidseits. Die Beinbeschwerden werden in unterschiedlichem Ausmaß durch Hyp-/Parästhesien, Schwäche und Schweregefühl der Beine begleitet und führen zu einer reduzierten Gehstrecke. Anhaltende neurologische Ausfälle schwerer Art sind selten. Typischerweise sind die Beschwerden in Ruhe nur gering oder nicht vorhanden. Im Einzelfall kann die Diagnose jedoch durch das stark wechselnde klinische Bild mit teilweise nur Rückenschmerzen, nur Schwäche, nur Hypästhesie und mannigfaltigen Mischformen erschwert sein. Diese Heterogenität tritt auch bei der lateralen und foraminalen SKS häufig auf, welche neben den eben erwähnten zentralen Symptomen auch zu verschiedensten uni- oder bilateralen Symptomen, radikulär aber auch pseudoradikulär führen kann.

Diagnostik. Auf Grund der Fülle an klinischen Symptomen und Kombinationen kann die Diagnose jedoch nicht alleine klinisch gestellt werden.

Bildgebende Diagnostik. Das Röntgen hat nur eine begrenzte Aussagekraft bzgl. der SKS, kann jedoch in bestimmten Fällen wertvoll sein, insbesondere wenn das Röntgen im Stehen durchgeführt wird. Hierdurch kann zum Beispiel eine sich im Liegen (wie beim MRT) spontan reponierende und damit „maskierte“ Spondylolisthese erkannt werden. Weiterhin tritt die SKS häufig sekundär im Rahmen von degenerativen Veränderungen auf und hier kann das Röntgen gerade als Belastungsaufnahme im Stehen als Übersichtsaufnahme wertvolle Informationen geben. Aktuell wird die MRT Untersuchung ohne Kontrastmittel (KM) als „gold standard“ angesehen, dies jedoch nicht unbedingt durch ihre höhere Aussagekraft, sondern vielmehr durch das bessere Risikoprofil durch Fehlen ionisierender Strahlung (Röntgen, CT) bzw. fehlender Invasivität. Auch bei Notwendigkeit einer funktionellen Untersuchung kann bei Nichtvorhandensein eines Up Right MRT eine Myelographie unter strenger Abwägung durchgeführt werden.

Elektrophysiologie. Obwohl es Studien gibt, welche dem paraspinalen Elektromyographie (EMG)-Mapping eine Diskriminierung zwischen SKS und Rückenschmerz zusprechen, ist die Methode nicht im allgemeinen klinischen Setting verankert. Andere elektrophysiologische Untersuchungen, wie peripheres EMG, SEP/MEP oder H-Reflex, scheinen eher geeignet andere Erkrankungen auszuschließen, nicht jedoch zur primären Diagnosestellung.

Therapie. Die konservative Therapie stellt bei der Claudicatio spinalis die primäre Therapie der Wahl dar, dies auch vor dem Hintergrund das relevante neurologische Defizite, welche eine Indikation zu raschen operativen Maßnahmen darstellen, bei der Claudicatio selten sind und meist über einen längeren Zeitraum auftreten. Neben der Indikation zu operativen Maßnahmen im Rahmen relevanter neurologischer Defizite, besteht allerdings bei frustraner konservativer Therapie in Abhängigkeit des Leidensdruckes und der Einschränkung der Alltagsaktivitäten, eine relative Operations-Indikation.

Konservativ:

Medikamente. Schmerzhemmende Medikamente (Analgetika), Neuromodulatoren (Methylgabalin, Prostaglandin, Gabapentin), Calcitonin und Entzündungshemmer (Kortikoide, NSAID) kommen zum Einsatz

Epidurale Injektionen scheinen insbesondere im kurzen Verlauf (2 Wochen-6 Monate) eine Verringerung der Beschwerden erreichen zu können. Ob durch wiederholte Injektionen bzw. den Zusatz von Steroiden eine Verlängerung der Wirkdauer erreicht werden kann, ist bei der aktuellen Datenlage nicht abschließend zu beantworten. Gleiches gilt für die Technik der Injektion (transforaminal/interlaminär bzw. anatomisch, Röntgen, CT gestützt).

Physiotherapie. Bei Patienten, mit Haltungs- und Belastungs-abhängigen Beinschmerzen erscheint eine Physiotherapie sinnvoll und erfolgversprechend. Hierbei muss versucht werden, durch Aufrichtung des Beckens in eine Entlastungshaltung zu kommen, die der Patient bei Vorneigung und im Sitzen einnimmt, sog. entlordosierende Krankengymnastik. Speziell über Anleitung zum Dehnen der verkürzten Muskelgruppen Iliopsoas, Adduktoren, Rectus Femoris und der langen Rückenstrecker kann diese Entlordosierung erreicht werden.

Orthesen zur Aufrichtung und Entlordosierung sind erfolgversprechend, der Effekt jedoch nicht anhaltend.

Operativ: Die operative Dekompression (Erweiterung des Spinalkanales) sollte erwogen werden, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen, um eine für den individuellen Patienten zufriedenstellende Lebensqualität zu erzielen. Bei der operativen Behandlung der lumbalen SKS sollte der routinemäßige Einsatz von Fusionstechniken zusätzlich zur Dekompression nicht erfolgen. Beim Vorliegen von klinischen und radiologischen Instabilitätszeichen sollte eine zusätzliche Stabilisierung erfolgen.